Die Quest – warum Helden immer auf die gleiche Abenteuerreise gehen
Das Wort Quest (auf deutsch: Suche, aus dem altfranzösischen queste) bezeichnet in der Artusepik die Heldenreise des Ritters oder Helden, in deren Verlauf er verschiedene Aufgaben löst, Feinde besiegt, Schwierigkeiten überwindet und dadurch Ruhm und Erfahrung erntet oder sein angestrebtes Ziel (zum Beispiel den heiligen Gral) erreicht. Sinn der Quest ist zumeist die Erfüllung ritterlicher Pflichten, aber auch die innere Reifung und Reinigung des Helden.
Die Taten eines Helden in Mythen, Romanen und Filmen ereignen sich auf einer Heldenreise, die durch typische Situationsabfolgen und Charaktere gekennzeichnet ist. Diese archetypische Grundstruktur wird, nach einem Begriff von James Joyce, auch als Monomythos bezeichnet. Als ein Grundmuster von Mythologien weltweit, hat vor allem der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell das Motiv der Heldenfahrt erforscht.
Was wir von „Star Wars“ und Harry Potter für unser eigenes Leben lernen können
So betitelt Andreas Salcher das Kapitel seines Buches „Der verletzte Mensch“, in dem er die mythologische Heldenreise mit der persönlichen Entwicklung von uns Menschen vergleicht.
„Die Auseinandersetzung mit den archetypischen Heldenfiguren in Märchen, Sagen und Legenden ist nichts Esoterisches, sondern Pflichtprogramm für jeden Regisseur auf der Welt – nicht nur in Hollywood. Joseph Campbell gilt neben C.G. Jung als einer der herausragenden Mythenforscher des 20 Jahrhunderts. Er untersuchte die Heldengeschichten in vielen Kulturen und fand heraus, dass diese alle nach einem einfachen Muster gestrickt sind. Das was Menschen von Helden lernen sollen, ist offensichtlich unabhängig von der Kultur und der Zeit. Die Situationen, die ein Held im Laufe seiner Geschichte zu bestehen hat, stehen für die Phasen, die wir alle in unserem Leben zu bewältigen haben. George Lucas bestätigte, wie sehr ihn die Forschungen von Campbell beeinflusst hatten, und die Urversion von „Star Wars“ hält sich sogar fast sklavisch genau an die Reise des Helden, die Campbell in seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ veröffentlicht hatte.“
Der „Held“ steht im Verständnis von Joseph Campbell immer für die Hauptfigur einer Geschichte, ist daher geschlechtsneutral und kann auch zum Beispiel für ein Fantasiewesen wie den Hobbit Frodo Beutlin in „Der Herr der Ringe“ stehen. Forrest Gump, ein moderner Don Quichotte, zeigt, dass der Held keineswegs ein Krieger sein muss, der seine Prüfungen mit dem Schwert oder zumindest mit seiner Intelligenz meistert. Seine Waffen sind die des unschuldigen Toren – gerade deshalb lieben wir ihn so. Da „Star Wars“, „Harry Potter“ und „Der Herr der Ringe“ durch die Verfilmungen besonders bekannte Beispiele sind, erklärt Andreas Salcher anhand ihrer Geschichten die sieben Stufen der archetypischen „Reise des Helden“ und lädt seine Leser ein, die klassische Heldenreise mitzumachen und dabei Parallelen zu ihrem eigenen Leben zu entdecken:
1. Am Anfang lebt der Held ganz normal in seinem Alltag
Luke Skywalker, der Held von „Star Wars”, langweilt sich zu Tode auf der Farm seiner Stiefeltern, Frodo Beutlin aus „Der Herr der Ringe“ lebt unbeschwert im Auenland. Harry Potter wohnt am Beginn seiner Geschichte bei seinen tyrannischen Zieheltern.
2. Das Abenteuer ruft
Der Jedi-Ritter Obi Wan Kenobi fordert Luke Skywalker auf, mit ihm gemeinsam Prinzessin Leia zu retten. Gandalf gibt Frodo den Auftrag, den gefährlichen Ring nach Mordor zu bringen und dort zu vernichten. Harry Potter wird vom Riesen Hagrid der Brief mit der Einladung an die Zauberschule in Hogwarts überreicht.
3. Der Held weigert sich
Gehe immer den Weg, vor dem du die größte Angst hast, dort liegt die Erneuerung. Doch weder unsere Filmhelden noch wir tun das freiwillig. In dieser Stufe geht es um die Angst. Der Held weigert sich mit einer Vielzahl von Ausreden, die Herausforderung anzunehmen.
4. Der Mentor tritt auf
Alle Heldengeschichten haben eine Figur, die an den berühmten Zauberer Merlin an König Artus‘ Hof erinnert, der dem Helden beisteht. Der Mentor stellt eine der wichtigsten mythologischen Figuren dar. Er steht symbolisch für das Band zwischen Schüler und Lehrer, zwischen Gott und dem Menschen. Es ist eine Lebensweisheit, dass wir einen Menschen benötigen, der uns Rat, Hilfe, Wissen oder auch praktische Fähigkeiten lehrt. Ganz wichtig ist, dass uns der Mentor zwar auf die Prüfungen vorbereitet, er sie uns aber nicht abnehmen kann.
5. Die Prüfung, Feinde und Verbündete
Das Auftauchen von unerwarteten Verbündeten, wenn es aussichtslos für den Helden wird, ist typisch für Heldengeschichten, aber auch für unser Leben. Wenn man glaubt, es geht gar nicht mehr weiter, geht es dann doch weiter. Die unerwarteten Verbündeten lösen nicht die Aufgabe für uns, sie zeigen uns dafür, dass wir bereits alles in uns haben, um die Aufgabe zu bewältigen.
6. Die Belohnung
Der Held wird nach der letzten Prüfung damit belohnt, dass er den Schatz bekommt. Das kann die Erlösung eines ganzen leidenden Reichs sein wie im Gral, ein besonderes Schwert oder auch der Zugang zu geheimem Wissen.
7. Die Rückkehr des Helden
Am Ende der Geschichte kehrt der Held wieder in den Alltag zurück. Aber er ist verändert, er hat die Kluft zwischen dem, was er war, und dem, was er sein könnte, kleiner gemacht – und ist dadurch gewachsen.
In seinem Buch „Der verletzte Mensch“ resümiert Andreas Salcher:
Wir tanzen und spielen zu wenig
Zwei Fragen, die Sie sich selbst über Ihr eigenes Leben stellen können:
Was wollen Sie unbedingt vom Leben, was ist es, dem Sie mit aller Kraft nachjagen?
Was wäre das, was Sie tatsächlich brauchten?
Der Wendepunkt zum Guten in einer Geschichte wird oft in dem Moment erreicht, wenn der Held erkennt, was er wirklich braucht, was ihm wirklich wichtig ist. Manchmal dauert es sehr lange, bis man dies für sein eigenes Leben erkennt, selbst dann, wenn man eine so bedeutende Frau ist, wie das die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross war:
„In der Schweiz wurde ich nach dem Grundsatz erzogen: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Du bist nur ein wertvoller Mensch, wenn du arbeitest. Dies ist grundfalsch. Halb arbeiten, halb tanzen. Das ist die richtige Mischung! Ich selbst habe zu wenig getanzt und zu wenig gespielt.“
„Was nützt es uns, zum Mond zu fliegen,
wenn wir die Kluft, die uns von uns selbst trennt, nicht überwinden können.
Das ist die wichtigste aller Entdeckungsreisen,
und ohne sie sind alle übrigen nutzlos“
Antoine de Saint-Exupery
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